Husten und Bronchitis: Von akut bis chronisch und wichtige Tipps für Babies
Häufigster Grund zum Arzt zu gehen 8 % aller Konsultationen, häufigste Beratungsanlass in der Hausarztpraxis. Circa 20 % der Fälle von Arbeitsunfähigkeit Circa 10 % aller Krankheits-Tage (Chung and Pavord 2008). Ursachen Wieder meist Virusinfektionen. Fließender Übergang von Erkältung zu unteren Atemwegen = akute Bronchitis Epithelschädigung Welche Art von Husten gibt es? Wann zum Arzt? […]
Häufigster Grund zum Arzt zu gehen
8 % aller Konsultationen, häufigste Beratungsanlass in der Hausarztpraxis.
Circa 20 % der Fälle von Arbeitsunfähigkeit
Circa 10 % aller Krankheits-Tage (Chung and Pavord 2008).
Ursachen
Wieder meist Virusinfektionen.
Fließender Übergang von Erkältung zu unteren Atemwegen = akute Bronchitis
Epithelschädigung
Welche Art von Husten gibt es? Wann zum Arzt?
Nicht mehr “Trocken oder verschleimt?”
War bislang Standardfrage. Checken Sie ihre Apotheke.
Grenzen fließend. Bei akuter Bronchitis meist erst trocken, dann produktiv.
Patienten können die Frage nicht so leicht beantworten.
- Auswurfmenge häufig überschätzt.
- Unterscheidung von Speichel und Bronchialsekret schwierig.
- Reizhusten kann sich wie Verschleimung anfühlen.
Bei Therapie: Hustenstiller und Schleimlöser können zusammen gegeben werden (s.u.).
Entscheidend für das therapeutische Vorgehen: Dauer des Hustens: akut, subakut, chronisch
Akuter Husten / bis 2 Wochen
2/3 innerhalb von zwei Wochen von selbst ausheilend → Selbstmedikation.
Alarmzeichen für andere Ursachen oder schweren Verlauf, sofort zum Arzt.
- Atemnot in Ruhe
- Verdacht auf Lungenentzündung:
- Brustschmerzen
- Hohes Fieber ≥ 38,5 °C
- Blutdruckabfall
- Verdacht auf Tuberkulose (Tbc):
- Aufenthalt in Ländern mit hoher Tbc-Prävalenz
- Blutiger Auswurf
- Komplizierende Grunderkrankung:
- Asthma/COPD: chronisch, kann sich aber akut verschlechtern, auch erstmalig Husten
- Immunsystem hemmende Arzneimittel oder Erkrankungen
- Tumorerkrankungen
Sub-akuter Husten / 3-8 Wochen
Nach ein bis zwei Wochen (zweiter Erkrankungsgipfel) typischer anfallsartig bellender Husten + Erbrechen → evtl. Keuchhusten
Seit der Jahrtausendwende zunehmend Erwachsene.
Unterscheidung von Erkältung schwierig, atypisch mild mit unspezifisch, trockenem Husten.
Weiterführende Diagnostik empfohlen: Erregernachweis,
Impfung
Immunität nur für wenige Jahre.
Rund die Hälfte aller erkrankten Säuglinge steckt sich bei den eigenen Eltern an.
Daher auch Erwachsene und Großeltern nachimpfen (nur als Kombi-Impfstoff)
Therapie
- Antibiotika, ideal innerhalb von 10 Tage nach Symptombeginn: Krankheits-verkürzend
- Auch später sinnvoll: Dauer der Ansteckungsfähigkeit verkürzt (Altunaiji et al. 2005).
Chronischer Husten / >8 Wochen
Unbedingt weiterführende Diagnostik
Verschiedenste Ursachen, auch außerhalb der Lunge:
- Medikamentös: Blutdruckmittel Ramipril/ACE-Hemmer (–> Auslassversuch), Antidiabetikum Sitagliptin
- Magensaft-Reflux-Krankheit
- Herz-Erkrankungen mit Lungenstauung
Vorbeugung
- Häufigeres Händewaschen (Jefferson et al. 2011).
- Für andere: In Armbeuge husten, nicht in Handinnenfläche.
- Zink: verringert Auftreten von Erkältungssymptomen, allerdings Nebenwirkungen Übelkeit und schlechter Geschmack (Singh and Das 2013).
Dagegen Magensaft-resistente Tabletten, wie Zinkorotat POS®.
https://www.ursapharm.de/produkte-und-therapie/allgemeinmedizin/zinkorotat-pos/
Noch keine Kenntnisse über erforderliche Dosierung und Länge der Einnahme,
Nicht allgemein empfohlen. - Vitamin C: Kein Effekt auf Häufigkeit von Erkältungskrankheiten, außer bei extremer körperlicher Anforderung wie Marathon (Hemilä and Chalker 2013).
Therapie
In der Regel heilt Husten einer akuten Bronchitis ohne irgendeine Therapie folgenlos aus.
Nichtmedikamentöse Therapie
Kaum wissenschaftliche Evidenz.
- Rauchkarenz, bei Rauchern und Passivrauchern Erkältungskrankheiten länger dauern (Benseñor 2001).
- Ausreichende Trinkmenge klingt sinnvoll, aber
übermäßige Flüssigkeitszufuhr schädlich bis zu Hyponatriämie (Guppy et al. 2011). - Inhalation: Studien unklar (Kassel, King, and Spurling 2010; Singh and Singh 2013).
Medikamentöse Therapie
Allgemein
I.d.R. keine Antibiotikatherapie.
Für chemische Hustenblocker und Schleimlöser beim akuten Husten kaum Evidenz.
Für pflanzliche Mittel immerhin gemischt, Linderung der Beschwerden.
Antibiotika
Superinfektion könnte man glauben, aber:
Bei der unkomplizierten akuten Bronchitis nicht erforderlich.
Nur marginale Symptomlinderung und geringe Verkürzung um weniger als 1 Tag.
Demgegenüber Nebenwirkungen und Resistenzentwicklungen (Smith et al. 2004).
Verordnungshäufigkeit/wunsch durch Aufklärung der Patienten reduziert (Gonzales and Sande 2001; Altiner et al. 2007).
Nur im Einzelfall evtl. sinnvoll wg. Risiko einer Lungenentzündung bei schweren chronischen Krankheiten oder Immundefekten (Gonzales and Sande 2001),
aber auch hier akute Bronchitis meist viral und auf keinen Fall routinemäßig Antibiotika.
Vitamin C
zu Beginn einer Erkältung keine therapeutischen Effekte mehr, auch nicht bei Marathonläufern.
Evidenz für (1) trocken kratzig → (2) Husten → (3) Schleimig/produktiv
1. Trocken, Kratziger Rachen (–> Halsschmerzen Podcast)
Hustensaft oder Lutschpastillen: Samtiger Film auf der rauen Rachenschleimhaut.
Mehrmalige Einnahme pro Tag: erhöht Kontaktzeit der Wirkstoffe mit Schleimhaut.
Auch Hausmittel wie die Milch mit Honig, Salbei- oder Honigbonbons wirken.
2. Husten: Hustenstiller, Hustenblocker
Hustenreflex unterdrücken
- Selbstmedikation
Dextromethorphan, Silomat DMP®
Häufig, aber:
In hohen Dosen Halluzinationen. USA: 3% aller Teenager 12. Klasse Hustenstiller → nur noch über 18 Jahre. http://www.monitoringthefuture.org/pubs/monographs/mtf-overview2017.pdf
- 2009 BfArM empfahl keine Abgabe an Jugendliche
- 2016 EU empfahl Warnhinweis
https://www.ema.europa.eu/en/documents/psusa/dextromethorphan-list-nationally-authorised-medicinal-products-psusa/00001009/201511_en.pdf - 2017 in Deutschland umgesetzt
Generell nicht Auto fahren.
Langsame Metabolisierer bis zu 10% der Bevölkerung: Auffallend müde.
Nicht Asthmatiker/COPD.
Empfehle ich persönlich nicht.
Pentoxyverin / Silomat gegen Reizhusten®, Sedotussin®
Wirkt so rasch wie Dextromethorphan, nicht ganz so lang.
Auch Asthmatiker und COPD, leichte Bronchienerweiterung
Wenn dann dies als meine Empfehlung
Dropropizin, Larylin®
Interessant: nicht zentral, sondern Hustenrezeptor-Erregbarkeit herabgesetzt. Auch Pastillen unterwegs = Larylin® Stiller Pastillen
- Verschreibungspflichtig
Codein, Dihydrocodein, Levodropizin, Noscapin.
Codein nicht besser als Placebo, aber verbessert Nachtschlaf (Kardos et al. 2010; Eccles 2002).
3. Schleimlöser / Expektorantien
Häufig verordnet, aber
bei akutem Husten keine Evidenz (Smith, Schroeder, and Fahey 2012).
Nur Daten bei chronischer Bronchitis, diese aber anscheinend nicht übertragbar.
Ausnahme:
Ambroxol und N-Acetylcystein (NAC)
lindern, aber wohl nicht durch Schleimlösung sondern durch antientzündliche Wirkung.
Pflanzliche Hustenmittel / Phytotherapeutika (sowohl Schleimlöser als auch Blocker)
Schwierig zu beurteilen: Methodik der Studien unterschiedlich, Zusammensetzung variiert stark.
Gemisch: Keine eindeutige Trennung zwischen Wirkung als Hustenblocker oder Expektorans.
- Eukalyptus+Süßorangen (Myrtol/Cineol) = Gelomyrtol® Symptome und Dauer (Matthys et al. 2000; Gillissen et al. 2013).
- Thymian+Efeu/Primelwurzel: Symptome (Holzinger and Chenot 2011; Kemmerich 2011).
- Thymian-Efeu = Bronchipret®
- Efeu (lösend) = Prospan®
- Thymian (beruhigend aus Hustenrezeptoren) = Thymipin®, Aspecton®
- Echinacea/Sonnenhut, oberirdischen Pflanzenbestandteilen vs. Wurzel:
- Oberirdisch: Wirksam (Linde et al. 2006), aber Kontraindikationen:
Tuberkulose, Aids oder Autoimmunerkrankungen; - aber Wurzel: weder präventiv noch therapeutisch wirksam
- Oberirdisch: Wirksam (Linde et al. 2006), aber Kontraindikationen:
- Kapland-Pelargonie = Umckaloabo® Dauer (Agbabiaka, Guo, and Ernst 2008; Matthys et al. 2010), aber Magen-Darm NW und evtl. schwere Leber-Toxizität.
Kinder, Babys, Schwangere (Selbstmedikation)
Zum Arzt
Babys eigentlich nichts für die Selbstmedikation.
Ärzte haben Erfahrung und Wissen, um z.B. AM zu verschreiben, die in der Selbstmedikation nicht zugelassen sind,
oder Pari-Boy Vernebler zur Krupp-Prophylaxe
oder Cortison-Zäpfchen bei Krupp-Anfall → eigener Podcast
Honig
Jünger als 1 Jahr: nicht geeignet; Immunität gegenüber möglicherweise in Honig enthaltenen Bakterien wie Clostridium botulinum noch zu gering, schlimmstenfalls sogar Lähmungen.
Ab 2 Jahre:
- Häufigkeit von Hustenanfällen ähnlich gut reduziert wie Dextromethorphan, besser als Diphenhydramin, Placebo oder keine Behandlung.
- Besserung der Symptome, Tag 1-3 besser und schneller als Placebo oder Salbutamol, danach nicht mehr (Oduwole et al. 2018)
Vorsicht beim Inhalieren von ätherischen Ölen
- Unter 2 Jahren: Kein Campher, Menthol oder Minze
sonst drohen Verkrampfungen der empfindlichen Bronchien und Atemnot. - Geeignet sind
- Für Säuglinge: Eucalyptusöl, Fichtennadelöl oder Kiefernnadelöl OK, aber noch nicht in der Nähe der Atmungsorgane; OK ist Inhalation durch Auftropfen auf die Kleidung oder Umgebung (z. B. Bettwäsche, nicht Kopfkissen) = Babix®-Inhalat
- Ab 2 Jahre, auch wieder Campher, Menthol, Minze, aber extra milde Formulierungen auf Rücken, evtl. Brust: z.B. WALA® Plantago Bronchial-Balsam, Pinimenthol mild®
Hustensäfte
- Für Säuglinge: Spitzwegerich = Wala Plantago Hustensaft®
- Ab 1 Jahr: Thymian+Efeu: Bronchipret® Saft
Zusammenfassung:
- Vorbeugung: Hände waschen und Zink
- I.d.R. Viren und keine Antibiotika
- I.d.R. ohne Therapie nach 2 Wochen symptomfrei,
- Behandlung:
- Pflanzliche Hustenmittel wirken sowohl lösend + stillend: Thymian, Efeu und Eucalyptus
- Pentoxyverin / Silomat gegen Reizhusten® Hustensaft oder Tropfen, auch bei Asthma und COPD weil Bronchien-erweiternd
- Dropropizin / Larylin® : nicht zentral, als Pastillen, unterwegs, kein Bonbon!
- Schleimlöser: akute Bronchitis, keine Evidenz
- Zum Arzt
- Keuchhusten: Erwachsene wieder impfen lassen!
- Chronisch
- V.a. Lungenentzündung (hohes Fieber)
- Schwere Grunderkrankung
- Säuglinge
- Säuglinge
- unter 1 Jahr kein Honig,
- unter 2 Jahren kein Menthol/Campher/Minze
- Nicht verwirren lassen durch Handelsname,
z.B. Silomat kann unterschiedliche Arzneistoffe enthalten, DMP oder Pentoxyverin
Belege
Agbabiaka, Taofikat B., Ruoling Guo, and Edzard Ernst. 2008. “Pelargonium Sidoides for Acute Bronchitis: A Systematic Review and Meta-Analysis.” Phytomedicine. https://doi.org/10.1016/j.phymed.2007.11.023.
Altiner, Attila, Silke Brockmann, Martin Sielk, Stefan Wilm, Karl Wegscheider, and Heinz-Harald Abholz. 2007. “Reducing Antibiotic Prescriptions for Acute Cough by Motivating GPs to Change Their Attitudes to Communication and Empowering Patients: A Cluster-Randomized Intervention Study.” Journal of Antimicrobial Chemotherapy. https://doi.org/10.1093/jac/dkm254.
Altunaiji, S., R. Kukuruzovic, N. Curtis, and J. Massie. 2005. “Antibiotics for Whooping Cough (pertussis).” Cochrane Database of Systematic Reviews. https://doi.org/10.1002/14651858.cd004404.pub2.
Benseñor, I. 2001. “Active and Passive Smoking and Risk of Colds in Women.” Annals of Epidemiology. https://doi.org/10.1016/s1047-2797(00)00214-3.
Chung, Kian Fan, and Ian D. Pavord. 2008. “Prevalence, Pathogenesis, and Causes of Chronic Cough.” The Lancet. https://doi.org/10.1016/s0140-6736(08)60595-4.
Gillissen, A., Th Wittig, M. Ehmen, H. Krezdorn, and C. de Mey. 2013. “A Multi-Centre, Randomised, Double-Blind, Placebo-Controlled Clinical Trial on the Efficacy and Tolerability of GeloMyrtol® Forte in Acute Bronchitis.” Drug Research. https://doi.org/10.1055/s-0032-1331182.
Gonzales, Ralph, and Merle A. Sande. 2001. “Uncomplicated Acute Bronchitis.” Annals of Internal Medicine. https://doi.org/10.7326/0003-4819-135-9-200111060-00016.
Kardos, P., H. Berck, K. -H. Fuchs, A. Gillissen, L. Klimek, H. Morr, D. Pfeiffer-Kascha, et al. 2010. “Leitlinie Der Deutschen Gesellschaft Für Pneumologie Und Beatmungsmedizin Zur Diagnostik Und Therapie von Erwachsenen Patienten Mit Akutem Und Chronischem Husten.” Pneumologie. https://doi.org/10.1055/s-0029-1244083.
Kemmerich, Bernd. 2011. “Evaluation of Efficacy and Tolerability of a Fixed Combination of Dry Extracts of Thyme Herb and Primrose Root in Adults Suffering from Acute Bronchitis with Productive Cough.” Arzneimittelforschung. https://doi.org/10.1055/s-0031-1296656.
Matthys, H., V. G. Lizogub, F. A. Malek, and M. Kieser. 2010. “Efficacy and Tolerability of EPs 7630 Tablets in Patients with Acute Bronchitis: A Randomised, Double-Blind, Placebo-Controlled Dose-Finding Study with a Herbal Drug Preparation fromPelargonium Sidoides.” Current Medical Research and Opinion. https://doi.org/10.1185/03007991003798463.
Smith, Susan M., Tom Fahey, John Smucny, and Lorne A. Becker. 2004. “Antibiotics for Acute Bronchitis.” Cochrane Database of Systematic Reviews. https://doi.org/10.1002/14651858.cd000245.pub2.Smith, Susan M., Knut Schroeder, and Tom Fahey. 2012. “Over-the-Counter (OTC) Medications for Acute Cough in Children and Adults in Ambulatory Settings.” Cochrane Database of Systematic Reviews , no. 8 (August): CD001831.
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